Schaulauf der Selfie-Stick-Touristen im Zentrum von Florenz.
Montagmorgen, Hauptbahnhof, Florenz. Nachdem sich der Ticketkauf für den Stadtbus etwas gewöhnungsbedürftig gestaltet hatte, Tickets sind in den örtlichen Tabak- und Zeitungsläden erhältlich, stehen ich am noch frühen Tag auf dem Bahnhofsvorplatz von Florenz. Der Himmel ist zwar bedeckt, die gefühlte Lufttemperatur allerdings angenehm. Um mich herum laufen Pendler und Touristen hastig in alle Himmelsrichtungen. Die Busfahrer der Linien- und Reisebusse erstreiten sich mit lautem Hupen ihre Fahrt, auf den ohnehin verstopften Straßen, rund um den Bahnhof. Ich lasse mich vom Menschenstrom mitreißen und folge einer breiten Straße in Richtung Innenstadt.
Nach wenigen Metern zu Fuß, sehe ich zum ersten Mal die Spitze des Kampanile und die Kuppel des Doms Santa Maria di Fiore, welche über die Dächer der umliegenden Häuser hinausragen. Immer dichter und belebter wird das Gewirr aus Menschen. Die ersten Straßenhändler und Bettler tauchen aus der Masse hervor. Sprachfetzen der Touristen aus den unterschiedlichsten Länder dringen ans Ohr. Am Ende der Straße öffnet sich die großräumige Piazza San Giovanni, in der die damaligen Baumeister den Dom, den Glockenturm und eine Taufkapelle bauten. Von allen Seiten strömen Menschen hierher. Hier und dort sammeln sich Grüppchen um Stadtführer, die voller Einsatz versuchen Informationen zu diesem geschichtsträchtigen Platz zu vermitteln. Pärchen verrenken sich unnatürlich miteinander um ja die besten Fotos mit dem Mobiltelefon an ihren langen Selfiesticks von sich und dem riesigen Gotteshaus im Hintergrund zu knipsen. Die Warteschlangen wachsen rasant vor den Eingangsbereichen der einzelnen Bauwerke dieses Ensembles. Ich gehe einmal um den ganzen Platz, entlang der umliegenden Häuser, um die Dimensionen dieser Sehenswürdigkeit zu erfassen.
„Wer den Dom ausschließlich von Innen sehen möchte, benötigt für dieses Vorhaben kein Ticket. Für alles Andere (Kuppel, Campanile, Katakomben, Baptisterium und Museum) muss ein Sammelticket gelöst werden.“
Die Fassade der achteckigen Taufkapelle inmitten der Piazza, direkt vor dem Dom, versteckt sich leider komplett hinter einem Baugerüst. Rund um das Gebäude liegen und lagern Baumaterialien, vermutlich zur Sanierung der Bausubstanz. Ein wackeliger Bauzaun sperrt die Lagerfläche ab. Von der größtenteils weißen, teils grünen Marmorverkleidung ist nicht viel erkennbar. Vor dem bronzenen Eingangstor, zur Fassade des Doms gerichtet, drängen sich die Menschen, um einen Blick auf die sogenannte Paradiestür zu erhaschen. Das zweigeteilte Tor ist in zehn vergoldete Bronzefelder gegliedert von dem jedes für sich ein dreidimensionales Diorama darstellt. Diese zeigen plastisch Szenen relevanter Ereignisse aus dem Alten Testament. Nach 26-jähriger Handarbeit vollendeten die Handwerker im 15. Jh. ihre Arbeit an diesem einen Tor.
Der Dom wurde im Vergleich zu den anderen Kathedralen in der Region sehr spät erbaut und die Kuppel noch viel später fertig gestellt. Nach einer Bauzeit von 138 Jahren war das Gotteshaus mit noch nie dagewesenen Dimensionen realisiert. Gesamtlänge rund 160 Meter, bis zur Spitze der Kuppel etwa 115 Meter, Kuppeldurchmesser von über 45 Metern und ein Glockentum, der 85 Meter in den Himmel reicht, sind sehr beeindruckend. Noch Heute ist das Bauwerk der viertgrößte katholische Kirchenbau der Welt. Linkerhand der prächtigen Domfassade suche ich den Zugang zur Domkuppel. An einem Seiteneingang, vor dem sich bereits eine lange Warteschlange langweilt, beginnen die Treppenstufen zur Domkuppel. Bis zur Spitze sollen es 463 Stufen sein und genau so viele wieder zurück zum Boden. Stufe um Stufe führt der schmale und enge Gang nach oben. Damals nutzten die Arbeiter den gleichen Weg zur Kuppelbaustelle. Nach einer Menge von Treppenstufen gelange ich zur Empore innerhalb der Kuppel. Dieser schmale Sims ist gerade so ausreichend breit zum Stehen. Ich wage einen Blick über die Brüstung nach Unten. Von hier oben erscheinen die umherirrenden Menschen auf dem Fußboden der Kirche bereits sehr zwergenhaft. Mit zunehmender Höhe und Stufenanzahl werden die Gängen immer schmaler, schräger und beengter. Durch eine kleine Luke klettere ich über eine Leiter auf das Dach der Kirche. Der Rundumblick über die Dächer von Florenz bis zu den sanften Hügeln am Horizont sind einmalig.